Erwachsensein in komplexer Welt
Anlass und Motivation für Erwachsenleben gUG
Das Leben als Erwachsener zu bewältigen war stets und ist auch heute eine große Herausforderung. Unser Leben hat viele Bereiche, um die wir uns kümmern müssen und dieses nicht selten parallel. Ich vergleiche das Leben des Erwachsenen gerne mit einem Lebensgarten, der gepflegt werden will, damit seine einzelnen Bereiche nicht verkümmern, sondern blühen und eines Tages "Lebensfrüchte" hervorbringen. Für die Zeiten des Reifen und Ruhens braucht es sowohl schöne Tage, als auch Wind und Sturm, also Stress. Die Bewältigung von Stress macht uns souveräner und stärkt unsere Wurzeln. Stress ist Anreiz zum Lernen und Wachsen.
Dauerstress - Risiko für Depressionen
In der heutigen Informations- und Aufgabenflut ist der "Ansturm" jedoch oftmals dauerhaft, wir finden zu wenig Abstand und Zeiten der innere Ruhe. Zusätzlich stehen wir oftmals alleine im Sturm, da wir zuwenig Austausch in der Gemeinschaft haben oder ihn aus dem Anspruch, alleine klar kommen zu wollen, nicht suchen. Nicht wenige tragen zusätzlich unverarbeitete Erlebnisse aus der Vergangenheit in ihrem täglichen "Rucksack". Diese chronische Stressspirale ist, wenn kein Ausgang gefunden wird, der Nährboden und Hauptrisikofaktor für zahlreiche Erkrankungen, wie dem Burnout-Syndrom und Depressionen.
Eine Depression ist nicht selten die Folge von dauerhaften oder ungelösten, also nicht bewältigten Anforderungen. Und in der depressiven Episode selber steht der Betroffene ebenfalls unter starker Anspannung und (Gedanken-)Stress. Zur Überwindung und Vorbeugung einer (Erschöpfungs-)depression ist deshalb die Beschäftigung mit dem Thema Stress - im Sinne von erkennen und bewältigen - ein Kernthema für den Erwachsenen.
Seit 1997 begleite ich Ratsuchende seelsorgerlich, zunächst freiberuflich, seit 2015 ist meine Beratungseinrichtung gemeinnützig. Während dieser Jahre fiel mir immer wieder der enge Zusammenhang zwischen chronischen Belastungssituationen und Depressionen bei meinen Ratsuchenden auf. Weitere Recherchen und Erfahrungen machten mir deutlich: Es gibt nicht vereinzelte Erwachsene, die mit Erschöpfung und Überforderung in unseren komplexen Lebenssituationen zu tun haben. Zunehmend läßt sich von einem gesellschaftlichen Phänomen, also von einer Erschöpfungskrise des Erwachsenen sprechen.
An einer Depression erkrankt zu sein ist ist für die Seele sehr belastend und schmerzhaft. Ich habe die schwere Form depressiver Phasen mehrmals durchlebt: Sei es im Studium, sei es in Zeiten der Arbeitslosigkeit und später bei befristeten Arbeitsverträgen und in Phasen der Selbständigkeit. In meinen jungen Jahren war mir in keiner Weise bewußt, wie sich das nannte worunter ich litt und warum ich immer so traurig war und oftmals den Wunsch hatte, diese Welt zu verlassen. Und ich wußte lange nicht, dass meinem depressiven Grundempfinden ein chronischer Stresspegel zugrunde lag. Dieser speiste sich überwiegend aus der Angst vor Kritik und Zurückweisung. Später kamen - bei mich sehr belastenden Lebensereignissen - depressive Episoden hinzu. Ich bin sehr froh, dass heute öfter und offener und mit mehr Empathie über diesen Seelenschmerz gesprochen wird.
Fragen und weitere Recherche
Meine eigenen Erfahrungen mit Depressionen, zahlreiche Beratungsgespräche mit Ratsuchenden sowie mein Weg, den ich gegangen bin, um mein Erwachsenenleben mit mehr Freude und Leichtigkeit zu bewältigen bestärkten über die Jahre insbesondere die Beschäftigung mit folgenden Themen und Fragestellungen:
- Depressionen haben verschiedene Gesichter und Ursachen. Mich interessiert(e) insbesondere der Zusammenhang von Stress, chronischer Belastung und Depression und ich entdeckte, dass es mittlerweile gute (Forschungs-)Erkenntnisse über diesen Zusammenhang gibt. Näheres über diesen Zusammenhang und über die gemeinsamen Aspekte von Erschöpfungsdepression und Depressionen im allgemeinen habe ich im Bereich Bildung aufgeführt (Erschöpfungsdepression - Depression)
- Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit den zahlreichen Anforderungen des Erwachsenen. Wie sehen denn die heutigen Anforderungen im Erwachsenenleben aus, wo haben sie sich im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert? Und wie lassen sich diese auf übersichtliche und verständliche Art sichtbar machen und was sind die möglichen Folgen bei dauerhaften Belastungen? Daraus entwickelte sich die Idee von einem Lebensgarten, in dem acht Lebensbereiche des Erwachsenen dargestellt sind. Dieses Bild von einem Lebensgarten gibt neben den zahlreichen Anforderungen auch die Ressourcen wieder, die wir haben und brauchen, um Distress und Dauerbelastung abzubauen.
- Weiterhin faszinierte mich zunehmend der Gedanke, wie denn der heutige Erwachsene seine zahlreichen Lebensanforderungen bewältigten kann ohne (erneut) an einer Depression zu erkranken? Wie ist es möglich, eine Depression bzw beginnende depressive Gedanken als Chance und "Weckruf der Seele" zu sehen, sodass wir sogar gestärkt und gereift daraus hervorgehen? Wie kann es uns gelingen, unseren Lebensgarten zu so zu pflegen, das er blüht und gute Lebensfrüchte hervorbringt? Wie kann es uns als Gesellschaft gelingen, den Erwachsenen bei seinen zahlreichen Herausforderungen durch geeignete Infrastruktur und niedrigschwellige Beratung zu unterstützen? Aus diesen Überlegungen entstand mein Ermutigungskonzept Leben & Reife18plus, welches mit der erwachsenen LebensgärtnerIn ein Bild vom Erwachsenen vorstellt, welches für die Komplexität unserer heutigen Zeit gut gerüstet ist --> Stärkung von Ressourcen
Dauerstress - eine gesellschaftliche Herausforderung
Um (Erschöpfungs-)Depressionenen bei Erwachsenen zu überwinden und vorzubeugen, halte ich es für wichtig...
- dass wir über die Gefahren, bei einer chronischen Belastung an einer schmerzhaften Depression zu erkranken, aufklären
- dass wir uns mit den Anforderungen im Leben des heutigen Erwachsenen beschäftigen
- dass wir als Einzelne und als Gesellschaft die vorhandenen Ressourcen wertschätzen und die zur Bewältigung der Anforderungen hilfreichen Ressourcen stärken.
Die Erschöpfungskrise des Erwachsenen ist überwindbar - durch die Veränderung des Denkens und Verhaltens beim Einzelnen und durch die Veränderung der uns umgebenden Verhältnisse. Gesundheitsförderung braucht laut der World-Health-Organisation (WHO) auf beiden Ebenen Veränderung: auf der individuelle Verhaltensebene und der gesellschaftlichen Verhältnisebene durch mutige Entscheidungen u.a. in Politik und Wirtschaft.
Die heutigen komplexen Anforderungen der analogen und digitalen Welt erfordern ein Überdenken und Dazulernen von uns Allen. Wir sind herausgefordert, uns unsere bewährten Lebensbewältigungsformen bewußt zu machen, evtl. zu ändern und neue Ressourcen zu erschließen.
Depression und Suizidalität vorbeugen
Mit Gottes Hilfe habe ich meine depressive Grundstimmung aus der Kindheit überwunden. Und ich habe gelernt, mit Hilfe einer "Belastungsampel" meine Stresssymtome frühzeitig wahrzunehmen und darauf auf eine zu mir passende Weise zu reagieren und damit einer erneuten depressive Episode vorzubeugen. Es ist mir ein Herzensanliegen mit meinen persönlichen und beruflichen Erfahrungen zum Thema Dauerbelastungen und Depression dazu beizutragen, dass weniger Erwachsene als heute an einer Depression erkranken und damit dem oftmals begleitenden suizidalen Drang, das innere Gefängnis gewaltsam verlassen zu wollen, vorzubeugen.